Binationales Forschungsprojekt beschäftigt sich mit adaptiver Produktionsplanung und -steuerung

Produkte sollen zunehmend individuellen Kundenwünschen entsprechen und möglichst schnell geliefert werden. Das stellt hohe Anforderungen an die Organisation der Produktion. Mit dem Fokus auf die sogenannte Werkstattfertigung entwickeln Wissenschaftler des BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität Bremen und der Universität von Santa Catarina (Brasilien) nun in einem gemeinsamen Projekt ein Verfahren, das Herstellern die Planung und Steuerung ihrer Fertigungsprozesse künftig erleichtern soll.

Ziel des Vorhabens „Adaptive SBO“ ist – wie der Langtitel beschreibt – die „Entwicklung eines adaptiven simulationsbasierten Optimierungsverfahrens zur Planung und Steuerung dynamischer Produktionssysteme“. Es wird im Rahmen der brasilianisch-deutschen Forschungsinitiative „Brazilian-German Collaborative Research Initiative on Manufacturing“ (BRAGECRIM) gefördert. Das Programm wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem brasilianischen Bildungsministerium (CAPES) ins Leben gerufen, um binationale Forschungskooperationen auf dem Gebiet der Produktionstechnik zu unterstützen.

In Deutschland wird das Projekt von BIBA-Leiter Prof. Dr.-Ing. Michael Freitag koordiniert, in Brasilien von Prof. Dr.-Ing. Enzo Morosini Frazzon aus der Arbeitsgruppe Intelligente Logistik- und Produktionssysteme der Universität von Santa Catarina (UFSC). Frazzon hat an der International Graduate School for Dynamics in Logistics (IGS) der Universität Bremen promoviert und hat danach bereits mehrfach als Gastwissenschaftler am BIBA geforscht sowie am Fachbereich Produktionstechnik auf Einladung der IGS Vorlesungen zum Thema „Dynamics in Global Production and Logistic Systems“ gehalten. Industriepartner in dem Projekt ist das von einer deutschen Auswandererfamilie gegründete brasilianische Unternehmen Rudolph Usinados, unter anderem Hersteller mechanischer Komponenten für die Automobilindustrie.

„Herkömmliche Methoden und Systeme werden den Anforderungen nicht mehr gerecht“

Produktionsplanung und -steuerung haben einen wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Produktionssystemen. Diese unterliegen dynamischen Einflüssen wie Störungen durch Maschinenausfälle oder Eilaufträge, die es zu berücksichtigen gilt. Die derzeit verfügbaren Methoden und Systeme werden den Anforderungen nicht mehr gerecht. Die erstellten Ablaufpläne sind oft nicht optimal, da sie nicht auf der aktuellen Situation des Produktionssystems basieren.

In dem Projekt wird ein simulationsbasiertes Optimierungsverfahren entwickelt, das die Dynamik einer Werkstattfertigung berücksichtigt und ermöglicht, dass die Optimierung von Planungsentscheidungen sowie Steuerungsregeln stets auf Grundlage des aktuellen Systemzustands erfolgen können. Zur Verknüpfung der Optimierung mit dem realen Produktionsprozess wird ein Verfahren zum Datenaustausch zwischen einem Manufacturing Execution System (MES, auch Fertigungsmanagement- oder Produktionsleitsystem genannt) und dem simulationsbasierten Optimierungsverfahren entwickelt. In der Werkstattfertigung von Projektpartner Rudolph Usinados wird das neue Verfahren geprüft und bewertet.

„Werkstattfertigung birgt besondere Herausforderungen für Planung und Steuerung“

„Die Werkstattfertigung ist anders organisiert als zum Beispiel die klassische Fließbandfertigung in der Automobilproduktion, bei der die Arbeit in festen Abläufen mit immer wieder denselben und statisch aufeinanderfolgenden Prozessschritten erledigt wird“, erklärt BIBA-Wissenschaftler Mirko Kück. „Bei der Werkstattfertigung gibt es an verschiedenen Orten unterschiedliche Teilbereiche wie zum Beispiel die Dreherei oder die Lackiererei. Diese agieren nicht jeweils nach starren Routinen in einem standardisierten Ablauf, sondern nach Bedarf.“

Bei der Werkstattfertigung existieren keine linearen, festgelegten Durchlaufwege. Hier müssen die Reihenfolge der einzelnen Produktionsschritte durch die verschiedenen Stationen und die Aufgaben je nach Produkt und individuellen Anforderungen immer wieder neu gestaltet werden. Jede der einzelnen Produktionsstätten ist eine abgeschlossene Einheit und es gilt, sie möglichst optimal in die Produktionsprozesse einzubinden.

„Die Vorteile der Werkstattfertigung liegen darin, dass sie mehr Möglichkeiten für die Herstellung unterschiedlicher und auch kleiner Produktlinien sowie individualisierter Produkte bietet. Sie gewährleistet eine höhere Flexibilität im Hinblick auf die Kundenwünsche“, sagt Kück. Allerdings sei diese Art der Fertigung komplexer und deutlich aufwendiger zu planen und zu steuern. Daher berge sie auch besondere Herausforderungen. Denen solle mithilfe der Entwicklungen in dem Projekt besser begegnet werden können.

„Diese Kooperation ist ein Gewinn nicht nur für Forschung und Lehre“

„Angesichts der weltweiten Produktionsnetzwerke und der Digitalisierung müssen wir heute auch bei der Fertigungsplanung und -steuerung über Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg denken und arbeiten. Daher pflegen wir zahlreiche Kooperationen und setzen auf Internationalisierung“, sagt Freitag. Dieses gemeinsame Forschungsprojekt sei ein schöner Beleg für den Erfolg einer langjährig gewachsenen Verbindung und zeige den Mehrwert derartiger internationaler Kooperationen für alle Beteiligten, meint Freitag. „Sie bereichern nicht nur unsere Forschung und unseren Arbeitsalltag im BIBA. Auch unsere Studierenden profitieren davon – in der akademischen Ausbildung, durch praktische Erfahrungen, durch den interkulturellen Austausch und durch die Möglichkeiten, Kontakte knüpfen zu können.“

Jährliches BRAGECRIM-Jahrestreffen erstmals in Bremen

Im September kamen die Projektpartner in Brasilien zusammen, um die Arbeitspakete zu diskutieren, und schon vom 14. bis 16. November treffen sie sich wieder: Das große BRAGECRIM-Jahres-Meeting findet dieses Mal am BIBA in Bremen statt. Dort präsentieren sich dann unter anderem alle laufenden Projekte des BRAGECRIM-Programms.

(Sabine Nollmann/Mirko Kück)

Weitere Informationen und Ansprechpartner:

www.biba.uni-bremen.de
www.bragecrim.rwth-aachen.de/projects.html
www.rudolph.com.br/de Pressemitteilung als PDF

Prof. Dr.-Ing. Michael Freitag, Telefon: 0421 218-50 002, E-Mail: fre@biba.uni-bremen.de
Dipl.-Math. Mirko Kück, Telefon: 0421 218-50 119, E-Mail: kue@biba.uni-bremen.de

Bilder zur Pressemitteilung

Die Bilder sind – nur mit Urheberhinweis! – zur Veröffentlichung frei. Haben Sie Fragen, brauchen Sie die Fotos in höherer Auflösung oder möchten Sie weitere Bilder, wenden Sie sich bitte an

Dipl.-Math. Mirko Kück (BIBA)
Telefon: 0421 218-50 119, E-Mail: kue@biba.uni-bremen.de

oder an

Sabine Nollmann (Journalistin Wissenschaftskommunikation | kontexta)
Telefon: 0421 330 47 61, Mobil: 0170 904 11 67, E-Mail: mail@kontexta.de

Alle Bilder als ZIP-Datei zusammengefasst: 20161108pm_BIBA_Adaptive_SBO.zip (8 MB)

  • Porträt Prof. Dr.-Ing. Enzo Morosini Frazzon
    dsc 0198 frazzon.jpg3008 x 2000 px, 2.34 MBProf. Dr.-Ing. Enzo Morosini Frazzon aus der Abteilung Produktion und Systems Engineering der Universität von Santa Catarina (UFSC), Brasilien, während einem seiner Gastwissenschaftler-Aufenthalte im BIBA.
    Foto: BIBA
  • Porträt Prof. Dr.-Ing. Michael Freitag 1
    20161011 3744 michael freitag fotosabinenollmann.jpg2791 x 3690 px, 917 KB
  • Porträt Prof. Dr.-Ing. Michael Freitag 1
    20161011 3753 michael freitag fotosabinenollmann.jpg4288 x 2848 px, 1.07 MBBIBA-Leiter Prof. Dr.-Ing. Michael Freitag: „Dieses gemeinsame Forschungsprojekt ist ein schöner Beleg für den Erfolg einer langjährig gewachsenen Verbindung und zeigt den Mehrwert derarti-ger internationaler Kooperationen für alle Beteiligten.“
    Fotos: Sabine Nollmann
  • Porträt Dipl.-Math. Mirko Kück 1
    20161007 3446 mirko kueck fotosabinenollmann.jpg2746 x 3683 px, 0.92 MB
  • Porträt Dipl.-Math. Mirko Kück 2
    20161007 3467 mirko kueck fotosabinenollmann.jpg2488 x 3564 px, 0.90 MBBIBA-Wissenschaftler Dipl.-Math. Mirko Kück: „Die Vorteile der Werkstattfertigung liegen darin, dass sie mehr Möglichkeiten für die Herstellung unterschiedlicher und auch kleiner Produktlinien sowie individualisierter Produkte bietet. Sie gewährleistet eine höhere Flexibilität im Hinblick auf die Kundenwünsche. Allerdings ist diese Art der Fertigung komplexer und deutlich aufwendiger zu steuern und zu planen.“
    Fotos: Sabine Nollmann
  • Projekt-Auftakttreffen in Brasilien
    20160927-wa0000 treffen adaptive sbo brasilien.jpg1128 x 720 px, 343 KBBeim Projekt-Auftakttreffen in Brasilien (von links): BIBA-Leiter Prof. Dr.-Ing. Michael Freitag, Ricardo Pimentel, M. Sc., und Prof. Dr.-Ing. Enzo Morosini Frazzon von der Universität von Santa Catarina (UFSC) sowie BIBA-Wissenschaftler Dipl.-Math. Mirko Kück.
    Foto: UFSC
  • Unternehmen Rudolph Usinados 1
    img 7023.jpg1600 x 1200 px, 711 KB
  • Unternehmen Rudolph Usinados 2
    img 7025.jpg1600 x 1200 px, 626 KBProjektpartner ist brasilianische Unternehmen Rudolph Usinados, unter anderem Hersteller mechanischer Komponenten für die Automobilindustrie. In dessen Werkstattfertigung wird das neue Verfahren geprüft und bewertet.
    Fotos: Ricardo Pimentel

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